Geschichte
Der Gutshof Öttershausen liegt ca 5 km nordwestlich von Volkach an einem markanten Punkt eingebettet in eine intakte hochbedeutende Kulturlandschaft. Diese erstreckt sich vom Schloss Gaibach über den ehemaligen barocken, im 19. Jh zum Englischen Garten umgestalteten Schlosspark, sowie die Konstitutionssäule – ein für die bayerische Geschichte prägendes Element – langsam in weite Getreidefelder übergehend bis zum Gutshof Öttershausen, dessen markante Gebäude die Landschaft dominieren.
Der Gutshof wird bereits im Jahr 1069 erstmals erwähnt. An der heutigen Stelle ist er vermutlich um 1600 in der Zeit entstanden, als sich das Schloss Gaibach im Eigentum der Familie Echter von Mespelbrunn befand und von dieser Familie neu errichtet wurde. Davon zeugt die Jahreszahl 1585 am Kellerabgang des Winkelbaus.
Seit 1651 befindet sich das Schloss Gaibach mit samt dem Gutshof Öttershausen im Eigentum des Adelsgeschlechts von Schönborn. Es ist der älteste Besitz der Familie Schönborn in Franken. Unter Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn wurden ab 1740 intensive Baumaßnahmen unter Leitung Balthasar Neumanns durchgeführt.

Fortan sollten Schüttbauten für die Lagerung des auf den weiten Feldern der Umgebung gewonnen Getreides die prägenden Gebäude des Vierseithofs sein.
Schrittweise wurde zunächst der Kernbau aus dem 16. Jahrhundert zum Schüttbau umgebaut, danach ein völlig neuer Schüttbau errichtet und schließlich ein weiterer Bau auf winkelförmigem Grundriss aus dem 16. Jahrhundert ebenfalls zum Getreidelager umgestaltet.
Vom Gutshof ist nach Abbruch im Jahre 2012 noch ein wesentlich durch Balthasar Neumann gestalteter Schüttbau erhalten geblieben. Er besteht aus zwei Gebäudeteilen,
dem oben erwähnten neuen Schüttbau (auch unterer Bau oder Querbau genannt) und dem Winkelbau, dem ebenfalls schon erwähnten zuletzt umgebauten ehemaligen Wohntrakt aus dem 16. Jahrhundert. Die Anlage ist in der Liste der bayerischen Denkmäler eingetragen.



Bedeutung
Die Bauausführung der noch stehenden Gebäude ist für einen landwirtschaftlichen Zweckbau technisch höchst komplex und eher der eines Palastes vergleichbar: Die Geschosse sind in allen Ebenen mit massiven Gewölben versehen, die ein hohes Maß an Feuersicherheit sowie eine erhebliche Belastbarkeit gewährleisteten. Dies wird unterstützt durch eingelegte Spannanker aus Eisen, die unsichtbar im Gewölbe verlaufen. An einem Gewölbeaufbruch ist ein solcher Spannanker zu sehen.




Besonders ausgestaltet ist das ebenfalls durchgehend gewölbte Treppenhaus im Querbau, also dem von Balthasar Neumann neu hinzugefügten Schüttbau, welches Durchblicke in die Lagerräume ermöglicht und dem Repräsentationsanspruch des Grafengeschlechts genügt.




Der Dachstuhl liegt auf einem Kniestock auf und ist frei tragend ohne horizontale Zerrbalken ausgestaltet. Dadurch wird auch auf dem Dachboden erheblicher Stauraum für Getreide geschaffen. Konstruktiv wird dies in den Gebäudeteilen auf unterschiedliche Weise bewerkstelligt: Über dem Querbau befindet sich ein großes Hängewerk. Über dem Winkelbau sind auf die Binder beidseitig Kreuzstreben montiert, die die horizontalen Kräfte auffangen. Die Hölzer sind mit eisernen Schraubbolzen verbunden, was eine Besonderheit Balthasar Neumanns ist, die er auch beispielsweise an der gleichzeitig errichteten Gaibacher Pfarrkirche anwendete, und die den Ingenieurbau des 19. Jahrhunderts vorwegnimmt. Dieses Dachwerk ist ein besonders gutes Beispiel für die Innovationskraft Balthasar Neumanns auch auf dem Gebiet der Holzbautechnik.




Von Balthasar Neumann sind nur wenige reine Zweckbauten erhalten geblieben. Keines jedoch weist eine derart innovative und gleichzeitig repräsentative Ausgestaltung auf. An der durchgehenden Wölbung wird die Rolle von Balthasar Neumann als Ingenieur besonders deutlich.
Eine Besonderheit ist zudem, dass unter der Herrschaft der Grafen von Schönborn im Gutshof Öttershausen mehrere jüdische Familien wohnten. Es ist überliefert, dass Balthasar Neumann für diese ein neues Wohnhaus plante. Im Dorf Öttershausen befand sich schon seit dem Mittelalter aber auch gerade zur Schönbornzeit eine recht große jüdische Gemeinde. Es war dort auch eine Synagoge vorhanden.
Durch Ellen Kimmel vom Unternehmen Kreuz und Quer Video und Marketing in Volkach wurde ein 360° virtueller Rundgang durch das Gebäude des Gutshofs Öttershausen erstellt. Dadurch bietet sich eine einzigartige Möglichkeit, die unvergleichliche Architektur am Bildschirm zu erfahren.
